Warum fällt es vielen Menschen so schwer, Entscheidungen zu treffen? Diese Frage lässt sich nicht ganz einfach beantworten. Neulich in einem Seminar schauten mich acht Augenpaare der anwesenden Führungskräfte gespannt an: „Die Entscheidung, die sie getroffen haben, war in diesem Moment die richtige.“Weiter unten gebe ich ein paar Tipps, um Entscheidungen leichter zu machen und um zu verstehen, was es mit der inneren Opposition auf sich hat.Was neben dem Selbstmanagement und der angewandten Methodik für Führungskräfte jetzt aber mindestens genauso wichtig ist, ist die Selbstfürsorge. Die Pandemie mit Social Distancing und Arbeiten von zu Hause, gepaart mit der Schwere des grauen Novembers, stellt für viele mehr als nur eine Herausforderung dar. Was aber bedeutet Selbstfürsorge? Es ist eine Haltung: Selbstfürsorge ist ein Akt der Zuwendung, ohne dass tatsächlich etwas getan werden muss.Ich möchte alle Leser ermutigen, es sich zu erlauben, z. B. traurig, gereizt, enttäuscht, verunsichert zu sein. Selbstfürsorge bedeutet, sich um sich selbst zu sorgen: zuzulassen, was gerade in einem vorgeht, es nicht verdrängen zu wollen. Seine Gefühle annehmen, sich damit okay fühlen, dass sie da sind, sie nicht bewerten wollen. Das ist völlig in Ordnung so. Ich z. B. nutze die Meditation dazu. Meditieren hilft mir seit vielen Jahren, die harten Anforderungen meines Jobs gelassen anzunehmen. Letzte Woche z. B., als plötzlich zwei meiner Mitarbeiter aufgrund unterschiedlicher Ereignisse mitten in Projekten und in der Hauptsaison ausfielen. Das Problem als solches konnte natürlich nicht weggezaubert werden, aber durch meine Selbstfürsorge habe ich verhindert, dass ich auch noch persönlichen Schaden nehme.
Entscheidungen treffen – Übung macht’s leichter
„Einfach mal rausgehen, was ganz anderes machen. Dadurch kommen manchmal Entscheidungen oder Ideen wie von selbst“, lautet einer der Tipps der Beraterin und Coachin Karin Bacher. „Immer dann, wenn ich in einer Sackgasse stecke, gehe ich raus, spazieren oder beschäftige mich mit etwas anderem – lese zum Beispiel einen Artikel, der nichts mit der Angelegenheit zu tun hat, die mich gerade beschäftigt“, führt sie weiter aus.„Entscheidungen treffen“ wurde in den letzten Jahren immer häufiger zu einem Stressfaktor in Unternehmen. Gründe gibt es einige. Die zunehmende Komplexität der Aufgaben und die damit zu treffenden Entscheidungen führen zu einem Gefühl, ständig etwas falsch machen zu können. Hinzu kommt eine mangelnde Fehlerkultur in vielen Unternehmen: statt Fehler als Chance zu sehen, dazuzulernen und es das nächste Mal besser zu machen, werden sie viel zu häufig sanktioniert. Und ein dritter Grund ist die Angst, dass eine getroffene Entscheidung negative Konsequenzen für einen selbst oder andere haben könnte. Besonders anfällig dafür, keine Entscheidungen treffen zu können, sind Menschen mit sehr hohen Ansprüchen an Perfektion. Diese Menschen stehen sich häufig selbst im Weg.
Hier ein paar einfache Tipps, um das Entscheidungen-Treffen einfacher zu machen:
- Druck rausnehmen 1: über eine wichtige Entscheidung schlafen. Oft ist am nächsten Tag mehr Klarheit vorhanden.
- Druck rausnehmen 2: etwas anderes machen, was nichts mit dem Thema oder dem Umfeld zu tun hat, wie z. B. spazieren gehen, mit Kollegen einen Kaffeeplausch machen, Zeitung lesen …
- Sich selbst vertrauen: auf eigene Kompetenzen, Erfahrungen vertrauen und selbstbewusst Entscheidungen treffen. Wir haben i.d.R. alles, um uns entscheiden zu können, wenn wir uns die Freiheit erlauben, sich auf uns selbst zu verlassen.
- Metaebene einnehmen: anstatt sich auf Probleme, Unsicherheiten oder Unwägbarkeiten zu konzentrieren, besser in Lösungen denken. „Was wäre, wenn …?“ Oder bewusst Abstand suchen, indem man sich selbst Fragen stellt wie: „Ist diese Entscheidung in einer Woche oder einem Jahr noch relevant?“ Dies gibt den wichtigen Abstand, um entspannter eine Entscheidung treffen zu können. Am einfachsten funktioniert das, indem man sich mit jemandem dazu austauscht. Ist gerade keiner da, helfen Selbstgespräche.
- Learning by Doing: einfach üben, indem immer wieder kleine Entscheidungen getroffen werden. Eine bewusste Wahl treffen und diese dann durchziehen. Im Coaching stellen wir unseren Klienten die Hausaufgabe: für jeden Tag der Woche eine Entscheidung treffen. Erstaunt sind viele, wie einfach es dann ist. Ziel: ein selbstsicheres Gefühl zu entwickeln, indem man in die Selbstwirksamkeit gelangt. Damit wird automatisch die Angst vor Entscheidungen abgebaut.
Die innere Opposition – Gründe für Selbstzweifel
Was immer wir tun, wird mehr oder weniger intensiv und bewusst von unserer inneren Opposition kontrolliert. Selbstzweifel begleiten uns gelegentlich oder sogar häufig bei zu treffenden Entscheidungen, ob im privaten oder beruflichen Bereich. War das gerade richtig oder hätte ich doch …? Und sollte ich nicht besser diesen Weg nehmen, obwohl mir die erste Idee dazu plausibel erschien? Doch ein Zuviel an Neigung zur Selbstzensur kann ebenso ins Abseits führen wie zu wenig davon.Ein schönes Beispiel für die völlige Abwesenheit von Selbstzweifeln und von der Fähigkeit zur Selbstkritik bietet der sich gerade verabschiedende US-Präsident, der sich seiner Sache immer vollkommen sicher war und wohl auch nach wie vor ist – im vorliegenden Fall auch gepaart mit dem gegenteiligen Extrem, dem Eigenlob. Wozu das führen kann, ist derzeit live im Negativen zu bestaunen.Menschen mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein finden sich häufig in Führungspositionen, wo der aktive Umgang mit Selbstkritik nicht gerade zu den Standarddisziplinen gehört. Gleichwohl sollte dies besonders gepflegt werden, da sonst schnell eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Organisation leidet.Die Selbstreflexion und der Abgleich mit dem Fremdbild sind bis heute in vielen Unternehmen unter den Führungskräften eine Herausforderung. Wir bei KB Consultants erleben dies hautnah, wenn wir klassische Werkzeuge wie ein 360-Grad-Führungsfeedback durchführen und moderieren. Von totaler Ablehnung bis zu Ängsten, aber auch Spannung und Neugierde, sind alle Gefühle vorhanden.
Zu Entscheidungen stehen als Teil des Selbstmanagements
Ständige Unsicherheiten und Zaudern seitens einer Führungskraft wirken sich auch negativ auf die Teamleistung aus. Wenn wir das Gefühl haben, dass eine Entscheidung womöglich nicht die beste war, fühlen wir uns in gewisser Weise auch schwach und angreifbar. Dazu stehen zu können, dass man nicht die letzte Weisheit für sich gepachtet hat, ist ein Ausdruck gesunden Selbstbewusstseins. Starrköpfigkeit und das Beharren auf einer einmal eingenommenen Position wirken dagegen alles andere als stärkend auf eine Führungsrolle. Schnell haben Führungskräfte ihre Reputation verloren – entweder, weil sie kaum Entscheidungen treffen, oder, weil sie nicht zu ihren Entscheidungen stehen.Das Dilemma, einerseits nach außen einen klaren Standpunkt zu vertreten, andererseits sich dabei aber nicht von der „inneren Opposition“ verunsichern zu lassen, setzt die bewusste Auseinandersetzung mit dem Phänomen voraus. Ein einfacher Tipp: Selbstgespräche können dabei helfen, das Für und Wider in Ruhe abzuwägen und etwaige Unsicherheiten vor wichtigen Entscheidungen zu überwinden. Klassische Coaching-Methoden wie das „Innere Team“ unterstützen dabei. Und: Unter Druck werden sich Selbstzweifel nur umso mehr verstärken. Deshalb sind eine effiziente Zeitplanung und ein gutes Selbstmanagement erste Voraussetzungen, um die so wichtige Selbstreflexion in produktive Bahnen zu lenken.
Selbstzweifel blockieren
Wie wichtig ein vernünftiges Maß an Selbstkritik ist, dürfte außer Frage stehen. Doch ab wann kann sie sich kontraproduktiv auswirken und eine Form der Selbstsabotage einnehmen? Permanente Selbstzweifel können der Grund sein für mentale Blockaden, die oft nur mithilfe von außen aufzulösen sind. Ob dabei abwertende Beurteilungen aus der Vergangenheit einer Person eine Rolle spielen oder aktuelle Einflüsse wie zum Beispiel fachliche Überforderungen oder Hemmnisse, Verantwortung zu delegieren, sollte ergründet werden und ist Voraussetzung für die Aufhebung von Selbstblockaden.