Fachkräftemangel wird seit Jahren und zunehmend prognostiziert, quer durch alle Berufsgruppen, sei es in Lehrberufen oder bei Uni-Absolventen – und das nicht nur in technischen Berufszweigen. Für 96 Prozent der deutschen Mittelständler stellt der Fachkräftemangel die größte strategische Herausforderung dar, mit der sie zu kämpfen haben. Immer mehr Positionen können nur noch besetzt werden, wenn Unternehmen die Anforderungen nach unten anpassen. Dabei stehen beileibe nicht nur mangelnde Kenntnisse in Mathematik und anderen naturwissenschaftlichen Fächern im Fokus. Auch fehlende Soft Skills und sogar Sprachdefizite in Deutsch (von Muttersprachlern!) sind häufige Einstellungshindernisse.
„Überforderte Eltern und ein Schulsystem, das treu den 1980ern verpflichtet scheint, sind offenbar keine Basis zur Vermittlung von Werten wie Pünktlichkeit, Leistungsbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein oder den im Berufsleben so wichtigen einfachsten Umgangsformen. Von Werten also, die trotz der immer rasanteren Entwicklung unserer Arbeitswelt immer wichtiger werden“, wie E. S. Biggeleben, Human Resources Coach aus Leverkusen, in „Der Mittelstand“ schon vor einem Jahr feststellte.
Die Gründe für diese nicht nur sozialen Defizite liegen nicht zuletzt in unserem föderalen Schulsystem. Die Verdoppelung der Abiturientenquote hatte letztlich nur ein Sinken der Leistungsansprüche zur Folge, wie unter anderen Josef Kraus feststellte, von 1987 bis 2017 Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Der Ruf nach Aufhebung des Bildungsgefälles aufgrund unterschiedlicher Schulsysteme in den Bundesländern bleibt nach wie vor ungehört. Von der aktuellen Digitalisierungsinitiative sollen vor allem die MINT-Fächer profitieren. Die Schule 4.0 mit ihrem Digitalpakt und dem Fach Programmieren wird das Problem, wenn überhaupt, nur längerfristig auflösen können. Denn: Nur die Anhäufung von zusätzlichem Wissen wird nicht zielführend sein.
Das Fehlen ganzheitlichen Denkens und allgemeinen Verständnisses von komplexen wirtschaftlichen Zusammenhängen (in „Der Mittelstand“ auch als Wirtschaftslegasthenie bezeichnet) dürfte dagegen weiter bestehen bleiben. Ebenso wie die durchwegs von Arbeitgebern beklagte Abwesenheit von Sozialkompetenz und Ausdrucksvermögen zahlreicher Bewerber sowie die Tatsache, kaum mit einfachsten logischen Verknüpfungen umgehen zu können.
„Ein Phänomen, das gerade jetzt auch schmerzhaft öffentlich zum Ausdruck kommt angesichts der von nicht wenigen Bildungsbürgern offen gezeigten Ablehnung und Ignoranz gegenüber wissenschaftlich fundierten Positionen von Ärzten, Virologen und Statistikern. Fakten, die Grundlage für eine objektive Einschätzung von Sachlagen oder Problemen sein sollten, spielen eine vernachlässigbare Rolle im Diskurs.
Stattdessen werden Meinungsdebatten geführt, die jede Objektivität vermissen lassen. Welche Auswirkungen solche fragwürdigen Attitüden von zum Beispiel verantwortlichen Mitarbeitern in Unternehmen haben, welche ihren Erfolg in der Regel rational begründeten Entscheidungen verdanken, ist absehbar.
Andererseits herrscht kein Mangel am Angebot von mit zahlreichen neuen Zertifikaten und Graduierungen ausgestatteten Bewerbern, mit allerlei zum Teil sehr fantasiereichen Titeln und Job-Qualifizierungen, erworben an neu akkreditierten und häufig nicht öffentlich getragenen Bildungseinrichtungen. Dass sie die gewünschten Fachkompetenzen kaum aufbringen, vor allem die in Bachelor- und Master-Studiengängen erworbenen, wird immer häufiger beklagt – und dass zum Teil komplett am Markt vorbei ausgebildet wird. Gerade mittelständische Unternehmen sind mehrheitlich betroffen, denen auch durch die Konkurrenz zu Großunternehmen der Zugang zu den besten Bewerbern oft verschlossen bleibt.
Die Frage bleibt, wie sich Unternehmen dieser Entwicklung stellen können. Insbesondere Unternehmen ohne ausgewiesene HR-Spezialisten leiden häufig unter nicht erfüllten Erwartungen bei den Neueingestellten. Diese müssen dann im Zweifel zeitaufwendig ausgetauscht werden, während Projekte und Aufträge dringend weiterzuführen sind. Am Ende steht ein beträchtlicher Mehrkostenaufwand bis hin zu Kundenverlusten durch solche wiederholten Besetzungsmissgriffe.“
Ein noch ausführlicheres Bewerber-Screening kann angesichts des heute zur Verfügung stehenden Personalpools das Problem nicht allein lösen. Eine vergleichsweise schnelle Antwort auf die Personalkrise kann jedoch die Entwicklung interner Programme zur Nachqualifizierung mit unternehmensrelevanten und praxisspezifischen Inhalten sein. Die Initiative zu ergreifen ist das Gebot der Stunde, anstatt auf eine neue Generation von Studienabgängern mit besserer Qualifikation zu warten. Ein gut definiertes Qualifizierungsangebot kann der entscheidende Faktor sein, die besseren und motivierteren Bewerber zu erreichen. Ein Attraktivitätsbonus, an dem sie nicht zuletzt auch die Zukunftsfähigkeit einer Stelle und des Unternehmens dahinter erkennen können.
Unser Team beschäftigt sich genau mit diesen Fragen und unterstützt Unternehmen mit Entwicklungsprogrammen für Fach- und Führungskräfte, mit Onboarding-Programmen sowie mit strategischen Lösungen für Personalbindung und -suche.
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