Eine Koryphäe in seinem Fachgebiet zu sein, bedeutet noch lange nicht, dass man auch Führungsaufgaben wahrnehmen kann. Dies setzt noch ganz andere Fähigkeiten voraus, denn Führung – genauer gesagt Mitarbeiterführung – ist ein eigenständiges Arbeitsgebiet mit spezifischen Aufgaben. In vielen Unternehmen werden aber immer noch gute Fachleute zu Führungskräften ernannt.
Was für eine Führungspersönlichkeit über fachliches Know-how hinaus selbstverständlich sein sollte, sind eine realistische Selbsteinschätzung, Empathie- und vor allem Kommunikationsfähigkeit. Wer führen will, muss motivieren und inspirieren – und nicht zu vergessen, auch delegieren – können. Der Wunsch hingegen, einfach Mitglied des Teams zu bleiben, kann in eine Sackgasse führen.
Vor allem Mitarbeitende, denen aufgrund ihrer Fachkompetenz schnell wichtige Aufgaben im Unternehmen übertragen werden, sind durch einen solchen Karriereschritt oft überfordert. Plötzlich nicht mehr einer unter Gleichen zu sein, sondern Vorgesetzter, ist eine Herausforderung, die allzu oft zum Everybody’s-Darling-Syndrom führt. Extreme Erscheinungsformen dieses Syndroms zeigen Menschen, die zu sehr auf Harmonie bedacht sind und das Wohl anderer immer über ihr eigenes zu stellen versuchen. Wer sich mehr oder weniger übergangslos in einer Führungsposition wiederfindet, neigt ggf. dazu, die Führungsrolle nicht anzunehmen, was wiederum schnell zu persönlichen Krisen führen kann.
Wie den Spagat schaffen zwischen Anpassung und Harmoniestreben einerseits und der gleichzeitigen Ausübung von Leistungsforderung und Kontrolle andererseits? Es gilt, sowohl die gesteckten Unternehmensziele zu erreichen als auch die Mitarbeiter bei Laune zu halten und für eine gute Teamatmosphäre zu sorgen. Ein klares Paradox,denn je mehr man oder „frau“ danach trachtet (und ja, vor allem für Frauen stellt dies eine besondere Herausforderung dar) zu gefallen und nicht anzuecken, desto weniger Respekt und Anerkennung werden einem möglicherweise gezollt.
Klassische Managementaufgaben wie Zielvorgaben, Organisation, Kontrolle und Entwicklung von Menschen im Unternehmen sind jedoch nur zu stemmen, wenn auch ein gewisses Maß an Reibung und Kritik im betrieblichen Miteinander möglich ist. Mit den Mitarbeitern nach der Arbeit was trinken gehen und sich kumpelhaft geben ist kaum ausreichend, um Akzeptanz als Chef und Vertrauen aufzubauen – sprich erfolgreich zu führen. Leistungsorientiertes Handeln vorleben und Orientierung geben sind da schon wichtiger, seinem Team Freude an Effektivität und dem Erzielen von Resultaten zu vermitteln. Ebenso wichtig wie das Fordern und gleichzeitige Fördern von Mitarbeitern. Nur wer Mitarbeiter einbezieht und Wertschätzung zeigt, wird diese auch zurückerhalten und ernst genommen werden.
Wer führen will, muss auch den Mut haben, nicht nur Konsenskultur zu pflegen, sondern Diskussionen anzustoßen, eine (im besten Fall gut begründete) Meinung zu vertreten, auch wenn diese nicht populär ist oder nicht den Erwartungen der Mitarbeiter entspricht. Selbst wenn die Gefahr besteht, sich unbeliebt zu machen.
In unseren Führungskräfteseminaren und Einzel-Coachings von Führungskräften hören wir immer wieder von dieser Konfliktsituation in Unternehmen. Und dass sie oft die Ursache dafür ist, dass Abteilungen oder ganze Unternehmen unter einem mehr oder weniger starken Entwicklungsstillstand leiden, weil eine nicht positiv stimulierende Führung letztlich lähmend wirkt.
Wenn nur Harmoniebestreben und Anpassungsneigung das Profil einer Führungskraft bestimmen, kann sich schnell das ergeben, was der streithafte CSU-Politiker und Bayern-MP Franz-Josef Strauß seinerzeit schon wenig respektvoll über politische Gegner sagte: „Everybody’s Darling is Everybody’s Depp!“ Vielleicht etwas hart formuliert, aber es kann leicht in diese Richtung gehen, wenn Führungskräfte sich zu sehr auf der Buddy-Ebene bewegen.
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